Sanierung / Mikwe Worms - SchUM-Städte

Sanierung der Mikwe in Worms

Pres­­se­­mit­tei­­lung der Stadt Worms

Bau­for­schun­gen und Über­le­gun­gen zu einer fach­ge­rech­ten, sen­si­blen Sa­nie­rung der MikweWasseransammlung
מקוה
Wor­m­s

Über Jahr­hun­der­te stell­te die Syn­ago­ge den Mit­tel­punkt eines un­un­ter­bro­che­nen jü­di­schen Le­bens in Worms dar. Vom äl­tes­ten Bau (1034) ist die Stif­tungs­ta­fel aus Stein er­hal­ten. Nach den Ver­wüs­tun­gen bei den Kreuz­zü­gen des 11./12. Jahr­hun­derts wurde 1174/75 ein Neu­bau in ro­ma­ni­schen For­men er­rich­tet. Ge­wöl­be und Säu­len der Worm­ser Syn­ago­ge waren rich­tungs­wei­send für Syn­ago­gen­bau­ten in Mit­tel- und Ost­eu­r­o­pa. In glei­cher Form wur­den in den fol­gen­den Jahr­hun­der­ten Syn­ago­gen in gro­ßen asch­ke­n­asi­schen Ge­mein­den, u.a. in Wien, Prag und Kra­kau.
Die Bau­tä­tig­keit der Ge­mein­den in SchUM wei­te­te sich aus. Be­reits im Jahre 1185/86 ent­stand laut einer wei­te­ren, eben­falls er­hal­te­nen Bau­in­schrift das Ri­tu­al­bad, die Mikwe.

Das Mau­e­r­werk der Mikwe be­fand sich, wie 2014/15 fest­ge­stellt wurde, in einem Zu­stand, der Un­ter­su­chun­gen und Sta­bi­li­sie­run­gen be­durf­te. Ein sta­tisch-kon­struk­ti­ves Gut­ach­ten aus dem Jahr 2014 wies auf Schä­den wie Durch­feuch­tun­gen, Ris­seund Ver­for­mun­gen hin. Ein­drin­gen­des Ober­flä­chen­was­ser und Kon­den­sat­bil­dung ver­ur­sach­ten Ober­flä­chen­schä­den, der Erd­druck, vor allem an der West­sei­te, wo sich die Trep­pe be­fin­det, rief sta­ti­sche Schä­den her­vor. Zudem er­ga­ben Luft­keim­mes­sun­gen im Jahr 2015, dass inder Mikwe eine hohe Be­las­tung mit Kei­men in den ver­schie­de­nen Kli­ma­ten herrscht. Erst­maß­nah­men wur­den be­reits im sel­ben Jahr un­ter­nom­men.

Dazu ge­hör­ten Trag­werks­pla­nung, Ein­rüs­tung, Ab­sprie­ßen als sta­ti­sche Si­che­rung, re­stau­ra­to­ri­sche Si­che­rung, In­jek­ti­o­nen sowie Bohr- und Fug­a­r­bei­ten.

»Hin­sicht­lich der wert­vol­len Ober­flä­chen­par­ti­en müs­sen wir als­bald eine re­stau­ra­to­ri­sche Si­che­rung vor­neh­men. Hinzu kom­men eine pro­vi­so­ri­sche Si­che­rung der Struk­tur sowie erste Ver­su­che zur Me­tho­dik für die In­stand­set­zung des Mau­e­r­werks­ge­fü­ges als erste Maß­nah­men«, er­läu­ter­te Ar­chi­tekt Jür­gen Hamm 2016.

Die Ar­bei­ten wer­den Zug um Zug in etwa fünf Ab­schnit­ten aus­ge­führt. Der­zeit gehen die Ex­per­ten von einer Ge­samt­dau­er von sechs bis zehn Jah­ren – je nach Fi­nan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten und Er­kennt­niss­tand – aus.

Die in ihrer Be­deu­tung für die jü­di­sche Welt noch immer wich­ti­gen Stät­ten jü­di­scher Ge­lehr­sam­keit, die SchUM-Städ­te Spey­er, Worms und Mainz, ver­fol­gen als sol­che unter dem Motto »SchUM-Stät­ten am Rhein – Jü­di­sches Erbe für die Welt", ge­mein­sam mit den Jü­di­schen Ge­mein­den und dem Land Rhein­land-Pfalz, die An­er­ken­nung als UN­ES­CO-Welt­er­be.

Die 1185/86 ge­stif­te­te Mikwe ist für Worms ge­mein­sam mit der re­kon­stru­ier­ten Syn­ago­ge und dem Fried­hof »Hei­li­ger Sand« ganz wich­tig für die Welt­er­be-Be­wer­bung bei der UN­ES­CO. Das Ri­tu­al­bad ist seit mehr als 800 Jah­ren ein Be­stand­teil die­ses jü­di­schen Epi­zen­trums. Lei­der ist sie hoch­gra­dig sa­nie­rungs­be­dürf­tig – und so müs­sen und wol­len wir diese Sa­nie­rung in den nächs­ten Jah­ren an­ge­hen. Die­ses fas­zi­nie­ren­de Bau­werk soll näm­lich noch vie­len fol­gen­den Ge­ne­ra­ti­o­nen er­hal­ten blei­ben und von der Be­deu­tung des Ju­den­tums in Worms be­rich­ten.

Ober­bür­ger­meis­ter Mi­cha­el Kis­sel, Worms (Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt bis 07/2019)

OB Mi­cha­el Kis­sel: Über die Sa­nie­rung

Ober­bür­ger­meis­ter Mi­cha­el Kis­sel wies wäh­rend sei­ner Amts­zeit ins­be­son­de­re auf die Be­deu­tung der Mikwe und des jü­di­schen Erbes für den UN­ES­CO Welt­er­be-An­trag hin: »Das jü­di­sche Ri­tu­al­bad ist als wert­vol­les Kul­tur­denk­mal we­sent­li­cher Be­stand­teil des SchUM­Welt­er­be­an­tra­ges«, so der Worm­ser Stadt­chef, der selbst im Jahre 2004 vor­ge­schla­gen hatte, für Spey­er, Worms und Mainz als die für die Ent­wick­lung des asch­ke­n­asi­schen Ju­den­tums be­deu­ten­den SchUM-Stät­ten mit ihren jü­di­schen Denk­mä­lern die Auf­nah­me in die UN­ES­CO-Welt­er­be­lis­te zu be­trei­ben.

Bei der Kon­fe­renz der Kul­tus­mi­nis­ter wurde im Herbst 2012 die Auf­nah­me des SchUM-Pro­jek­tes in die deut­sche Vor­schlags­lis­te be­an­tragt. 2014 hat­ten die SchUM-Stät­ten die erste Hürde ge­schafft: Zu­sam­men mit acht wei­te­ren Vor­schlä­gen wur­den sie vom Land zur Auf­nah­me in die UN­ES­CO-Liste des Welt­kul­tur- und Na­tur­er­bes an­ge­mel­det. Dabei neh­men die SchUM-Stät­ten in der Rei­hen­fol­ge Platz fünf ein. Rhein­land-Pfalz reicht im Ja­nu­ar 2020 das No­mi­ni­se­rungs­dos­si­er der SchUM-Stät­ten bei der UNECO ein. Über die end­gül­ti­ge Auf­nah­me in die Welt­er­be­lis­te ent­schei­det die UN­ES­CO 2021.

Gute Er­werbs­mög­lich­kei­ten al­lein reich­ten für die jü­di­sche Nie­der­las­sung in den SchUM-Städ­ten in Asch­ke­n­as nicht aus. We­sent­li­che Vor­be­din­gung für die An­sied­lung war wohl die Aus­sicht auf le­ben­di­ges Was­ser – auf majim cha­jim –, um eine Mikwe am Ort zu bauen. Jahr­hun­der­te­lang galt: ›Der Bau einer Mikwe hat Vor­rang vor dem Bau einer Syn­ago­ge.‹ (Mai­mo­ni­des, Buch: Misch­ne Tora, Band 3). Folg­lich: dort wo Juden leb­ten, ist oft eine Mikwe über­lie­fert.
Die Worm­ser Mikwe von 1185/1186 bot über Jahr­hun­der­te den Mit­glie­dern der ›hei­li­gen Ge­mein­de Worms- Kahal Ka­dosch War­mai­sa‹ die Mög­lich­keit der ri­tu­el­len Rei­ni­gung.
Den Be­su­chen­den der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te bot die Mikwe als Er­in­ne­rungs­ort auch ein Ein­tau­chen in die ei­ge­ne Ge­schich­te bis hin­un­ter zu den Quel­len der Torah. ›Je­doch eine Quel­le und eine Mikwe sind rein‹ (3. Buch Moses / Le­vi­ti­cus 11,36)

Stel­la Schind­ler-Sieg­reich, Vor­sit­zen­de der Jü­di­schen Ge­mein­de Mainz bis 08/2017.

Die Jü­di­sche Ge­mein­de ist Eig­hen­tü­me­rin der Mikwe, der Syn­ago­ge und des ge­sam­ten En­sem­bles in Worms sowie des alten jü­di­schen Fried­hofs Hei­li­ger Sand in Worms sowie des größ­ten Teils des heute vor­han­de­nen Ge­län­des des Alten jü­di­schen Fried­hofs »Auf dem Ju­den­sand« in Mainz.

Außer den se­kun­dä­ren Bild- und Schrift­quel­len sind es die stei­ner­nen Spu­ren, die uns heute die kul­tur­rei­che jü­di­sche Ver­gan­gen­heit am Rhein le­ben­dig vor Augen füh­ren. Die Worm­ser Mikwe als mit­tel­al­ter­li­ches Ri­tu­al­bad ist ein über­aus wert­vol­les Bau­werk aus die­ser Ver­gan­gen­heit, das als sel­te­nes Zeug­nis mit gro­ßer kon­ser­va­to­ri­scher Vor­sicht und Um­sicht für die Zu­kunft ge­si­chert und re­stau­riert wer­den muss.

Dr. Ro­swi­tha Kai­ser,
Lei­te­rin der Di­rek­ti­on Lan­des­denk­mal­pfle­ge der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Kul­tu­rel­les Erbe (GDKE) in Rhein­land-Pfalz

In­for­ma­ti­o­nen zur Sa­nie­rung

Zu­stand der Mikwe Worms

Den ers­ten re­stau­ra­to­ri­schen und sta­ti­schen Si­che­rungs­maß­nah­men in der Mikwe in Worms sind in den Jah­ren vor 2015 be­reits zahl­rei­che Un­ter­su­chun­gen vor­an­ge­gan­gen. Ver­mes­sung, Bau­for­schung, sta­tisch-kon­struk­ti­ve Gut­ach­ten und na­tur­wis­sen­schaft­li­che Ma­te­ria­l­un­ter­su­chun­gen waren un­be­ding­te Vor­aus­set­zun­gen der ak­tu­el­len Erst­maß­nah­me am jü­di­schen Ri­tu­al­bad, das als wert­vol­les Kul­tur­denk­mal we­sent­li­cher Be­stand­teil des SchUM-Welt­er­be­an­tra­ges ist. 

Bau­ge­schich­te

  • 1185/86 Stif­te­r­in­schrift, Vater Ju­diths, der Stif­te­rin des Frau­en­bau­es der Syn­ago­ge.
  • 19. Jh. als Senk­gru­be ge­nutzt.
  • 1895 Frei­le­gung.
  • 1938 und 1942 Be­schä­di­gun­gen.
  • 1958 Wie­der­auf­bau in ver­än­der­ter Form mit neuem Ab­gang und Trep­pe
  • 2007 an­stel­le Ab­de­ckung des Brun­nen­schach­tes of­fe­nes Dach.

Zu­stand 2015

  • Schä­den: Durch­feuch­tun­gen, Risse, Ver­for­mun­gen.
  • Ma­te­ri­a­li­en: Rot­s­and­stein, Gelb­sand­stein, Werk­stein­qua­der, Han­d­qua­der.
  • Reste von bau­zeit­li­chen Kalk­put­zen, teils mit Fa­rb­pig­men­ten
  • Wie­der­auf­bau­ma­te­ri­a­li­en: gel­ber Zie­gel­stein, Be­ton­ver­guss, ze­ment­hal­ti­ge Putze und Aus­bes­se­rungs­mör­tel
  • Ober­flä­chen­schä­den
    • durch ein­drin­gen­des Ober­flä­chen­was­ser
    • durch Kon­den­sat­bil­dung.
  • Sta­ti­sche Schä­den
    • durch Erd­druck, ins­be­son­de­re West­sei­te (Trep­pe).
  • Das Mau­e­r­werks­ge­fü­ge be­fin­det sich in einem la­bi­len Zu­stand. Der Zer­fall des Fu­gen­sys­tems und struk­tu­rel­le Pro­ble­me be­ein­träch­ti­gen die Sta­bi­li­tät der An­la­ge.

Fra­gen und his­to­ri­sche Kon­tex­te

  • His­to­ri­sche Zu­gangs­si­tua­ti­on des mit­tel­al­ter­li­chen Bau­werks?
    • Der Ein­gang der Mikwe kor­re­spon­diert auf einer Zeich­nung aus dem Jahr 1854 in sei­ner Lage auf­fäl­lig mit dem recht­e­cki­gen Rück­sprung der Stütz­mau­er im An­schluss an die Ost­fas­sa­de des hoch­mit­tel­al­ter­li­chen Bau­werks.
    • Be­fun­de zum Ab­gang und zum Zu­gang = heu­ti­ger Ab­gang vom Syn­ago­gen­hof in die Mikwe be­fund­frei­es Ar­te­fakt aus der 2. Hälf­te des 20. Jh.
  • Be­fun­de im Vor­raum: im We­sent­li­chen bis auf Teile der Bau­plas­tik im bau­zeit­li­chen Be­stand über­lie­fert.
  • Be­fun­de Trep­pe­n­an­la­ge: ur­sprüng­li­che Plan­geo­me­trie der Trep­pe­n­an­la­ge wäh­rend der Bau­zeit auf­ge­ge­ben.
  • Bau­zeit­li­che Ab­wei­chung: Um­pla­nung der Trep­pe.

Be­da­rf bei Sa­nie­rung

  • Er­a­r­bei­tung einer Me­tho­dik für die In­stand­set­zung des Mau­e­r­werks­ge­fü­ges.
  • Er­a­r­bei­tung einer Me­tho­dik für den Um­gang mit den or­ga­ni­schen Schich­ten.
  • Er­a­r­bei­tung einer Me­tho­dik für die Si­che­rung des Trag­werks.
  • Er­a­r­bei­tung eines Kon­zep­tes für die Re­stau­rie­rung.
  • Er­a­r­bei­tung eines Kon­zep­tes zur In­stand­set­zung der nä­he­ren Pe­ri­phe­rie der Mikwe
  • Schritt­wei­se Um­set­zung der er­a­r­bei­te­ten Me­tho­den und Kon­zep­te.
  • Si­che­rungs­va­ri­a­n­ten wer­den dis­ku­tiert, u.a. Rü­ck­ver­an­ke­rung, Er­danker, Bo­den­ver­fes­ti­gung, Stahl­be­ton­fer­tig­tei­lein­brin­gung in Boden au­ßer­halb, Stahl­rah­men innen, Ab­dich­tung, Kli­ma­mo­ni­to­ring, Ris­s­in­jek­ti­o­nen.

Erste Maß­nah­men

  • Re­stau­ra­to­ri­sche Si­che­rung wert­vol­ler Ober­flä­chen­par­ti­en im Be­reich der struk­tu­rel­len Si­che­rung.
  • Pro­vi­so­ri­sche Si­che­rung der Struk­tur.
  • Erste Ver­su­che zur Me­tho­dik für die In­stand­set­zung des Mau­e­r­werks­ge­fü­ges.
  • Die Ar­bei­ten wer­den Zug um Zug in un­ge­fähr 5 Ab­schnit­ten durch­ge­führt. Da die Ab­schnit­te nicht zwangs­läu­fig in einem Zug durch­ge­führt wer­den müs­sen und auch nicht immer nur ein Jahr an­dau­ern kön­nen, gehen wir zur­zeit von einer Ge­samt­dau­er für die Ar­bei­ten von ei­ni­gen Jah­ren aus.

Dr. Ro­swi­tha Kai­ser (GDKE)
Jür­gen Hamm (Hamm Ar­chi­tek­tur + Denk­mal­pfle­ge)

 

Erste Er­geb­nis­se: De­zem­ber 2019

Die Re­stau­rie­rung der Mikwe Worms ist ein Pro­jekt mit vie­len zu be­rück­sich­ti­gen­den Ebe­nen, die nicht nur wis­sen­schaft­li­che und kon­ser­va­to­ri­sche Fra­gen be­rüh­ren. Auch re­li­gi­ons­ge­setz­li­che An­for­de­run­gen an den er­halt einer grund­sätz­li­chen Funk­ti­o­na­li­tät, das ge­wünsch­te Er­schei­nungs­bild, das Au­then­ti­zi­tät und In­te­gri­tät nicht be­ein­träch­ti­gen soll, sind zu be­den­ken. 
In einem Fach­sym­po­si­um in Worms am 10. De­zem­ber 2019 stell­te das In­sti­tut für Stein­kon­ser­vie­rung e.V. in Mainz (IfS) erste Er­geb­nis­se der seit 2016 statt­fin­den­den Un­ter­su­chun­gen und Maß­nah­men vor. 
Wel­ches Er­geb­nis am Ende ste­hen wird, muss wei­ter dis­ku­tiert und ab­ge­wo­gen wer­den.
In­ter­es­sier­te kön­nen sich den Ta­gungs­band beim IfS be­stel­len: https://www.ifs-mainz.de/ver­o­ef­fent­li­chun­gen/ifs-be­rich­te
Eines steht je­den­falls fest: die Mikwe Worms wird fach­ge­recht ge­si­chert und diese Maß­nah­men kön­nen rich­tungs­wei­send für künf­ti­ge Pro­jek­te an Ri­tu­al­bä­dern wer­den. Eine Ge­fähr­dung des Welt­er­be­an­trags steht nicht an, weil sich ein in­ter­dis­zi­pli­näres Team be­hut­sam, mit kul­tu­rel­ler Sen­si­bi­li­tät und hoher Fach­kennt­nis in­ten­siv und mit viel Zeit die­sem wun­der­ba­ren und her­aus­ra­gen­den Bau­werk an­ge­nom­men hat.